From Resilience to WE-silience

From Resilience to WE-silience

  • Wir bei awaris glauben, dass individuelle und geteilte unternehmerische „WE-Resilienz“ erlernt werden kann.
  • Unsere Forschung zeigt, dass das Stressempfinden des Einzelnen teilweise von seiner Resilienz abhängt, dass Resilienzverhalten erlernt werden kann und dass positive Teamgewohnheiten Burnout reduzieren können.
  • Sie zeigt auch, dass die individuelle Resilienz oft versagt, wenn zu viele Stressfaktoren am Arbeitsplatz erlebt werden. Das bedeutet, dass Organisationen verantwortlich sind einzugreifen, wenn das Umfeld zu stressig oder gar toxisch wird.
  • Resilienz ist sowohl ein individueller Prozess als auch ein Team- oder organisationaler Prozess, was die Bedeutung der WE-Resilienz unterstreicht.

Wir leben in Zeiten, in denen Resilienz gefragt ist. Ob es darum geht, sich an den Klimawandel anzupassen, den sich beschleunigenden Zyklus der wirtschaftlichen Transformation zu bewältigen, inmitten der Aufmerksamkeitsökonomie Ruhe zu finden oder in hybriden Teams zusammenzuarbeiten. Es ist klar, dass Führungskräfte und Beschäftigte in Organisationen vor vielen Herausforderungen stehen.

Um auf diese Herausforderungen zu reagieren, müssen wir als Einzelne resilienter werden. Aber das allein ist nicht genug. Wir brauchen auch eine gemeinsame Resilienz, oder „WE-Resilienz“, wie wir sie nennen. WE-Resilienz bedeutet, die Resilienz systemisch als die Resilienz unserer Teams, Abteilungen und Unternehmenseinheiten zu verstehen. Menschen, die in Systemen, z.B. Teams, organisiert sind, können auch als Gruppenkörper bewusst handeln. Sie können beispielsweise das Gruppenklima verbessern und so dazu beitragen, dass Organisationen als Ganzes resilienter werden. 

Gesunde und resiliente Organisationen wissen, wie sie WE-Resilienz kultivieren können. Dies ermöglicht es ihnen, auf natürliche Weise Phasen von Stress, Regeneration, Wachstum und Transformation zu durchlaufen. Genauso wie die emotionale Intelligenz einer Führungskraft aus der Fähigkeit resultiert, ihre eigenen Emotionen zu regulieren, resultiert die Fähigkeit einer Führungskraft, im Sinne der WE-Resilienz zu führen, aus ihren persönlichen Erfahrungen und Skills im Umgang mit Herausforderungen.

Resilienz als die Fähigkeit, stressige Zustände zu verändern

Wir können die Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, als Stressoren bezeichnen – Ereignisse, die uns als Menschen beeinflussen und die uns Stress verursachen. Stress führt dazu, dass viele Systeme im Körper aktiviert werden, darunter auch das sympathische Nervensystem. Das kann sich zwar unangenehm anfühlen, aber Stress an sich ist zunächst einmal als neutral zu verstehen. Zum Problem wird Stress erst dann, wenn er chronisch wird; Dauerstress ist das Problem (Abb. 1). Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass anhaltender Stress zu einer schlechten psychischen Gesundheit beiträgt, z. B. zu Depressionen, Substanzmissbrauch oder emotionaler Distanz. Chronischer Stress erhöht auch das Risiko unter körperlichen Erkrankungen zu leiden, wie Bluthochdruck oder sogar Schlaganfällen.

Natürlich ist es wichtig, dass wir uns nicht zu lange stressen lassen. Wir benötigen Werkzeuge, um unseren inneren Zustand zu verändern. Von gestresst zu entspannt, von Regeneration zu Wachstum (siehe Grafik oben). Die Fähigkeit, innere Zustände auf diese Weise immer wieder zu verändern, verstehen wir als Resilienz. Der Neurowissenschaftler Richard Davidson hat Resilienz gemessen, indem er testete, wie schnell Teilnehmer zu ihrem Ausgangszustand zurückkehren konnten, nachdem sie einer negativen Emotion ausgesetzt waren. Wenn wir besser darin werden, unseren Zustand zu wechseln, sieht das Bild eher so aus (siehe Abb. 2), und wir bewegen uns auf einem Kontinuum von gestresst bis zu persönlichem Wachstum.

Die wichtigsten Forschungsergebnisse zu Resilienz und WE-Resilienz

In den letzten sechs Monaten hat Awaris Menschen dabei unterstützt, ihre eigene Resilienz und ihr Stressniveau einzuschätzen. Vier Dinge stechen aus unserer Forschung hervor.

1. Externe Stressfaktoren und empfundener Stress korrelieren kaum – Das bedeutet, dass jemand, der mehr Stressfaktoren im Arbeitskontext ausgesetzt ist, nicht automatisch auch mehr Stress erlebt. Abbildung 3 zeigt die zusammengefassten Daten von 1200 Befragten. Wir befragten die Teilnehmenden nach ihrem Stressempfinden anhand eines bewährten Fragebogens für Stresserleben. Wir fragten sie auch, welche Stressoren sie am Arbeitsplatz erlebten und wie ausgeprägt diese waren. Die Stressfaktoren korrelierten kaum mit dem empfundenen Stress (Abb. 4). Das kann man so interpretieren, dass die Stresswahrnehmung einer Person nicht unbedingt von den externen Stressoren abhängt, denen sie ausgesetzt ist und die persönliche Resilienz hier als Puffer wirken könnte. Die Beziehung zwischen Stressoren und Stress nimmt jedoch deutlich zu, wenn Menschen mehreren Stressoren ausgesetzt sind – darauf gehen wir im vierten Punkt ein.  

2. Resilienzförderndes Verhalten ist erlernbar – Viele Menschen gehen davon aus, dass manche Menschen einfach zäher und damit resilienter sind. Aber wir haben etwas Interessantes herausgefunden. Je mehr resilienzfördernde Verhaltensweisen und Fähigkeiten eine Person regelmäßig beachtet, desto geringer ist ihr empfundener Stress. Resilienz ist erlernbar. Die folgenden Grafiken zeigen dies für unsere Stichprobe von 1200 Beschäftigten. Wir teilten sie in drei Resilienzgruppen anhand der Anzahl der resilienzfördernden Verhaltensweisen, die sie regelmäßig anwendeten (niedrig, moderat, hoch). Je häufiger sie sich resilienzfördernd verhielten, desto geringer war der empfundene Stress (Abb. 4).

3. Positive Teamgewohnheiten können Stress und Burnout reduzieren – Wir haben die Teammitglieder auch nach ihrem Stresslevel gefragt und danach, welche Resilienz- und Kooperationsgewohnheiten in ihren Teams etabliert sind. Abbildung 5 zeigt den Prozentsatz der Teammitglieder mit hohen Burnout-Werten in zwei Gruppen. Diejenigen, die über gute Gewohnheiten der Resilienz und Kooperation verfügten (wir haben nach 24 konkreten Gewohnheiten gefragt, wie z. B. Vereinbarungen zum Umgang mit Multitasking in Meetings, regelmäßige positive Feedbackrunden), wiesen deutlich niedrigere Burnout-Werte auf. Bemerkenswerterweise waren die aggregierten Werte für den Teamstress ein besserer Indikator für schlechte Teamgewohnheiten als die Unterschiede zwischen einzelnen Personen. Das deutet darauf hin, dass Resilienz auch direkt auf Teamebene gefördert werden kann. Die Ergebnisse zeigen, dass Stress nicht nur ein Thema für den Einzelnen ist. Burnout-Risiken können durch positive Teamgewohnheiten entgegengewirkt und auf Teamebene massiv gesenkt werden.

Abb. 5: Prozentualer Anteil der Teams, bei denen mehr als 1/3 der Teammitglieder chronische Stresswerte aufweisen im Verhältnis zu der Anzahl der guten kollaborativen Rituale (d.h. der Teamkultur).
Quelle: Awaris-Daten von k=84 Teams mit über N=770 Teammitgliedern.

4. Stressfaktoren am Arbeitsplatz führen zu deutlichen Zunahmen in empfundenem Stress –wenn die Anzahl der Stressfaktoren einen Wendepunkt überschreiten – Den ersten Punkt machten wir mit dem Hinweis, dass wir kaum einen Zusammenhang zwischen Stressfaktoren und empfundenem Stress fanden, es sei denn, die Anzahl der Stressoren nahm deutlich zu. Dieser Wendepunkt war erreicht, wenn drei oder mehr Stressfaktoren am Arbeitsplatz, wie z. B. eine hohe Arbeitsbelastung, unternehmensinterne Transformationsprozesse oder schlechte kollegiale Beziehungen vorhanden waren. Im normalen („goldlöckchenartigen“) Bereich des Lebens gibt es keinen offensichtlichen Zusammenhang zwischen Stressfaktoren und empfundenem Stress. Wenn die Stressfaktoren jedoch extremer werden, gibt es deutliche Auswirkungen und die Resilienz nimmt ab. In diesen hoch belastenden oder sogar toxischen Umgebungen reicht die persönliche Resilienz nicht mehr aus.

Die folgende Grafik zeigt den Prozentsatz der Teilnehmer, die sich selbst als sehr resilient bezeichnen, verglichen mit der Anzahl der Stressfaktoren, denen sie ausgesetzt sind (Abb. 5). In der mittleren „Goldlöckchen“-Zone gibt es keinen klar erkennbaren Trend. Ein geringer Anstieg der externen Stressfaktoren geht nicht mit einem geringeren Anteil an resilienten Beschäftigten einher. In der toxischen Zone ist jedoch eine deutliche Abweichung zu erkennen. Wir haben festgestellt, dass 3 oder mehr Stressfaktoren zu einem starken Rückgang des Prozentsatzes der hoch resilienten Beschäftigten führen.

Abb. 6: Prozentualer Anteil der Befragten mit hoher und geringer alltäglicher Resilienz im Vergleich in Bezug auf die Anzahl der erlebten Stressoren am Arbeitsplatz. Die alltägliche Resilienz ist definiert als die Fähigkeit, sich am Ende eines stressigen Tages gut zu entspannen und zu erholen.
Quelle: Awaris-Daten von N=1200 Befragten des Resilienz-Screenings.

Wenn Menschen mehreren Stressfaktoren ausgesetzt sind, zeigen sie auch weniger positive resiliente Verhaltensweisen. Aus der Verhaltenswissenschaft ist bekannt, dass chronischer Stress uns weniger flexibel macht. Robert Sapolsky: „Diese Stressauswirkungen auf die Frontalfunktion machen uns unflexibel – wir agieren in einem Trott, in unseren Gewohnheiten verhaftet, auf Automatik geschaltet, gewohnheitsmäßig.  Wir alle kennen das – was tun wir normalerweise in einer stressigen Zeit, wenn etwas nicht funktioniert? Dasselbe noch einmal, viel öfter, schneller und intensiver.“.

Das hat tiefgreifende Folgen für das Verständnis von Resilienz. In Zeiten hohen Stresses sinkt nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Resilienz sowie die Selbstregulierungsfähigkeit. In Hochstresszonen können wir uns weder wohlfühlen, noch können wir starke Resilienzfähigkeiten erwarten. Je mehr wir uns in einem toxischen Stressumfeld befinden, desto MEHR ist es die Aufgabe der Organisation, dagegen vorzugehen.

Dieser Punkt wurde in einem kürzlich erschienenen Artikel von McKinsey über Burnout in Organisationen hervorgehoben. „Der Einsatz dieser Art von Maßnahmen kann dazu führen, dass Arbeitgeber:innen die Wirkung ihrer Wellness-Programme und -Vorteile überschätzen und die entscheidende Rolle des Arbeitsplatzes bei der Reduzierung von Burnout und der Förderung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens der Mitarbeiter:innen unterschätzen“ (McKinsey, 2022). Die individuelle Resilienz sollte in der Tat gestärkt werden, während Organisationen und Teams verantwortungsvolle Maßnahmen ergreifen müssen, um die Menge an Stressfaktoren zu begrenzen, denen die Menschen ausgesetzt sind. Mit anderen Worten: Sie müssen zu wirklich WE-resilienten Organisationen werden. Und genau darauf zielen einige unserer Programme bei Awaris ab.

Von Resilienz zu WE-Resilienz

Aus den Forschungsergebnissen lassen sich vier wichtige Schlussfolgerungen für Organisationen ableiten:

  1. Bei einer normalen Anzahl von Stressfaktoren am Arbeitsplatz liegt es in der Verantwortung der oder des Einzelnen, das Stressniveau zu kontrollieren. Genauso wie wir mit unseren Kalorien haushalten, sind wir alle dazu aufgerufen, unser Stressniveau zu kontrollieren und unsere Resilienz zu stärken. Das ist eine lebenslange Aufgabe. 
  2. Unternehmen sollten Beschäftigte dabei unterstützen, ihre Resilienz zu stärken. Diese Fähigkeiten sind ähnlich wichtig wie Projektmanagement oder Führungsqualitäten. Awaris ist in der Lage, diese Fähigkeiten auf Unternehmensebene zu beurteilen.
  3. In Teams kommt es nicht nur auf UNSERE Stressbelastung oder Resilienz an. Es gibt einen klaren TEAM-Effekt. Um das Wohlbefinden der Teammitglieder zu fördern, sollten Teams Gewohnheiten und Rituale stärken, die Resilienz und Zusammenarbeit stärken. Die Arbeit an Gewohnheiten auf Teamebene ist effektiver als die Arbeit an Gewohnheiten auf individueller Ebene.
  4. Und schließlich können Organisationen die Verantwortung für die Bewältigung der zunehmenden Stressfaktoren nicht nur auf die oder den Einzelnen abwälzen. Sie müssen verhindern, dass hochbelastende Bereiche oder toxische Situationen überhaupt erst entstehen.

Resilienzbildung muss eine aktive Strategie sein. Auf der individuellen Ebene, auf der Teamebene und auf der Organisationsebene. Mit anderen Worten: eine umfassende WE-Resilienz.

Ein weiser Mensch sagte einmal, dass der Wechsel von Krankheit zu Wohlbefinden ein Wechsel vom „Ich“ zum „Wir“ ist. Wir sehen zwei tiefgreifende Veränderungen, die Unternehmen durchlaufen müssen, um nachhaltige Leistung zu erzielen:

  1. Ein Wechsel von der Betonung des Wohlbefindens als Zustand hin zur Resilienz als Fähigkeit.
  2. Ein Wechsel von der „I“-Resilienz zur „WE“-Resilienz. Eine Organisation muss in der Lage sein, ihren inneren Zustand entsprechend den äußeren Anforderungen zu verändern. Ihre Kultur, ihre Erfahrungen und die Verhaltensweisen ihrer Mitarbeiter:innen umzugestalten. Dies wirkt sich auf die Resilienz von Teams und Einzelpersonen aus. 

Erst nach diesen Veränderungen können Unternehmen die Krise des Wohlbefindens, des Engagements und des Burnouts, die so viele erleben, bewältigen.

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